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Scheinselbstständigkeit: Der schmale Grat zwischen Selbstständigkeit und Beschäftigung

Die vielfältigen Möglichkeiten, wie eine Geschäftsbeziehung im Detail ausgestaltet werden kann, machen eine eindeutige Einordnung in „Beschäftigung“ oder „Selbstständigkeit“ in der Praxis oft schwierig. Dabei sollte zur Vermeidung zuschlagsbehafteter Nachzahlungen von Sozialabgaben rechtzeitig eine vorsichtige und doch treffsichere Einstufung erfolgen.

Hintergrund

Auf dem Bau sind Scheinselbstständige schon lange bekannt, doch sie arbeiten immer häufiger auch als Reisebegleiter, Reinigungskräfte, Fitness-Trainer, Pfleger, in Verlagen, Speditionen und der IT-Branche – ohne dass der „Auftraggeber“ Abgaben zahlt. Drohende Nachzahlungen mitsamt Zinsen und Klagen auf Arbeitsschutz sollten Auftraggeber anregen, rechtzeitig den Status zu prüfen.

Für beide Parteien – Auftraggeber und Auftragnehmer – ist die Unterscheidung zwischen Selbstständigkeit und Beschäftigungsverhältnis nicht immer klar. Besonders problematisch ist es, dass die Abgrenzungskriterien im Sozialversicherungs-, Steuer- und Arbeitsrecht nicht identisch sind. 

Vorweg sind „echte“ Selbstständige abzugrenzen, die verschiedene Kunden haben, selbst bestimmen, welche Aufträge sie zu welchen Konditionen annehmen und wann, wo und wie sie arbeiten, und zwar meist in eigenen Büroräumen mit eigener Ausstattung. Und auch die „echten“ Arbeitnehmer lassen sich leicht erkennen: Sie sind nach einem Arbeitsvertrag verpflichtet, ihre Arbeitszeit und -kraft nach den Weisungen des Arbeitgebers zur Verfügung zu stellen, die v. a. die Zeit, den Ort und die Bedingungen der Arbeitsausführung betreffen. 

Beachten Sie:  Zwischen diesen „beiden Polen“ liegt eine breite Grauzone, die Rentenversicherungsprüfer und auch Richter an den Sozialgerichten nach den Gesamtumständen beurteilen. Im Vordergrund stehen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit und das Unternehmerrisiko.

Abgrenzungskriterien

Es kommt zwar auf die Gesamtumstände des Einzelfalls an. Doch klassischerweise wird besonders Folgendes geprüft: 

Weisungsgebundenheit: Gibt der Auftraggeber konkrete Anweisungen zu Zeit, Ort und Art der Tätigkeit? 

Eingliederung : Nutzt der Auftragnehmer Ressourcen des Auftraggebers oder eigene, und wie sehr ist er in den Betrieb des Auftraggebers organisatorisch eingebunden? 

Unternehmerrisiko: Trägt der Auftragnehmer ein eigenes wirtschaftliches Risiko?

Beachten Sie:  Die Rechtsprechung kommt insbesondere dann zur Scheinselbstständigkeit, wenn der Auftragnehmer dieselben Tätigkeiten wie ein angestellter Arbeitnehmer ausübt oder gar selbst zuvor als Arbeitnehmer beschäftigt war. Und zwar erst recht, wenn der Auftragnehmer selbst keine regelmäßigten Beschäftigten angestellt hat. 

Merke: Verträge sollten formal korrekt sein, wobei sich Scheinselbstständigkeit nicht an der Vertragsbezeichnung, sondern an dessen Umsetzung orientiert. 

Konsequenzen der Scheinselbstständigkeit

Der größte Knackpunkt liegt in der Sozialversicherungspflicht, und zwar mit empfindlichen Folgen für den Auftraggeber. Sie beginnt grundsätzlich mit Beginn der „Beschäftigung“, auch wenn sie rückwirkend festgestellt wird. Das kann zu erheblichen Nachforderungen mitsamt Säumniszuschlägen und ggf. strafrechtlichen Konsequenzen führen. 

Statusfeststellung

Rechtssicherheit über die Beurteilung als abhängige Beschäftigung oder Selbstständigkeit bietet nur das Statusfeststellungsverfahren (§ 7a SGB IV). Es kann sowohl vom Auftraggeber als auch vom Auftragnehmer beantragt werden. 

Praxistipp:  Nicht nur initial sollte die Basis des Auftragsverhältnisses geklärt werden. Auch in einer längeren Geschäftsbeziehung können sich Änderungen ergeben, die regelmäßig rechtlich eingeordnet werden sollten. 


Ein Fachbeitrag aus dem DIRO-Netzwerk

Beitrag veröffentlicht am
16. September 2025

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